Radikale Akzeptanz
Radikale Akzeptanz ist ein Konzept, das vor allem aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) von Marsha Linehan stammt. Es beschreibt die Fähigkeit, eine Situation vollständig anzunehmen, so wie sie ist – auch wenn sie schmerzhaft, unfair oder schwer erträglich erscheint.
Wichtig ist: Radikale Akzeptanz bedeutet nicht, dass wir ein Verhalten oder ein Ereignis gutheißen oder zustimmen. Vielmehr geht es darum, die Realität nicht länger zu leugnen oder innerlich zu bekämpfen, sondern sie als gegeben zu akzeptieren.
Psychologisch betrachtet reduziert diese Haltung das Leidenslevel deutlich: Schmerz ist unvermeidbar, doch Leid entsteht erst, wenn wir uns zusätzlich gegen den Schmerz wehren („Das darf nicht sein“, „Das hätte nicht passieren dürfen“). Durch Akzeptanz sparen wir diese zusätzliche Energie des Widerstands und können unsere Ressourcen auf das lenken, was veränderbar ist – unser Denken, unser Handeln, unser Umgang mit der Situation.
Studien zeigen, dass radikale Akzeptanz eng mit Resilienz, emotionaler Stabilität und Achtsamkeit verbunden ist. Sie kann depressive Symptome verringern, Stressreduktion fördern und langfristig zu mehr psychischer Flexibilität führen.
Kurz gesagt:
👉 Schmerz ist Teil des Lebens.
👉 Leid entsteht durch Widerstand.
👉 Frieden entsteht, wenn wir akzeptieren, was wir nicht ändern können – und Energie in das investieren, was in unserer Hand liegt.
Quellenangaben
-
Linehan, M. M. (1993). Cognitive-behavioral treatment of borderline personality disorder. New York: Guilford Press.
➡️ Grundwerk der DBT, in dem das Konzept der radikalen Akzeptanz zentral beschrieben wird. -
Linehan, M. M. (2015). DBT® Skills Training Manual (2nd ed.). New York: Guilford Press.
➡️ Enthält detaillierte Skills-Übungen zur radikalen Akzeptanz, Achtsamkeit und Emotionsregulation. -
Lynch, T. R., Chapman, A. L., Rosenthal, M. Z., Kuo, J. R., & Linehan, M. M. (2006). Mechanisms of change in dialectical behavior therapy: Theoretical and empirical observations. Journal of Clinical Psychology, 62(4), 459–480. https://doi.org/10.1002/jclp.20243
➡️ Diskutiert die Wirkmechanismen von DBT, inkl. Akzeptanzstrategien. -
Hayes, S. C., Strosahl, K. D., & Wilson, K. G. (2012). Acceptance and Commitment Therapy: The Process and Practice of Mindful Change (2nd ed.). New York: Guilford Press.
➡️ ACT als verwandter Ansatz – auch hier wird Akzeptanz (inkl. radikaler Akzeptanz) als zentrale Technik betont. -
Kraiss, J. T., ten Klooster, P. M., Dinger, F. C., & Lobbestael, J. (2020). A systematic review on the efficacy of dialectical behavior therapy for borderline personality disorder. European Psychiatry, 63(1), e27. https://doi.org/10.1192/j.eurpsy.2020.27
➡️ Aktuelle Evidenzbasis zur DBT, die u. a. die Wirkung von Akzeptanzprozessen belegt.